Predigtblog
Hier lesen Sie Woche für Woche zu jedem Sonntag einen Predigt-Blog.
Jesus in der Cloud - vom biblischen "www"
(ein Gottesdienst auf der Wiese)
Liebe Gemeinde,
gibt’s hier eigentlich Internet? Oh, ja, zumindest auf meinem Handy sehe ich 4 Balken, superschnelle 5G-Verbindung. Die brauche ich, denn Jesus ist ja jetzt in der Cloud. So sagte mal eine Konfirmandin, als wir darüber sprachen, was eigentlich Christi Himmelfahrt bedeutet. „Jesus ist jetzt in der Cloud“.
Das ist gar nicht so verkehrt, nein: das ist ein großartige! „cloud“ ist das englische Wort für Wolke. Jesus ist jetzt in der Wolke. – Haben wir doch gerade gehört: „Eine Wolke nahm ihn auf, weg vor ihren Augen.“
Aber mit „cloud“ bezeichnet man auch einen Speicherort für alles, was man so auf dem Computer oder auf dem Handy hat, und zwar nicht in diesem Gerät, sondern irgendwie in den Weiten des Internets, irgendwie da oben, halt wie in einer Wolke, die über mir schwebt, in der „cloud“ eben. Was ich in der Cloud abspeichere, kann ich auf jedem Fleck dieser Erde wieder zu mir holen – vorausgesetzt, ich habe die richtige Internet-Verbindung.
Das ist sehr praktisch. Das hat mich – unter uns gesagt – schon ein paarmal gerettet, als ich auf fremden Friedhöfen feststellen musste, dass ich mein Konzept auf dem Schreibtisch vergessen hatte. Dann konnte ich – ganz unauffällig natürlich – mein Handy herausholen und alles, was ich mir ausgedacht hatte und sagen wollte, aus der Cloud zu mir herunterladen.
Jesus ist jetzt also in der Cloud. Genau so ist es: Jesus ist nicht mehr physisch, körperlich anwesend. Er ist aufgefahren in den Himmel, hochgeladen in eine Wolke sozusagen zum Vater. Und doch bleibt er immer und überall präsent, ist da, ist bei uns alle Tage bis an der Welt Ende – für jeden einzelnen Christenmenschen abrufbar, anrufbar. Ich kann ihn herunterladen, einladen, zu mir holen, Platz bei mir schaffen – vorausgesetzt, ich habe die richtige Verbindung.
Damit das bei Computern und einer Cloud funktioniert, braucht es drei Dinge: Zum ersten: Internet. „www“ wird es abgekürzt – world wide web – welt-weites Webnetz. Ich brauche zweitens einen Provider, der mir die Verbindung zum Internet herstellt, und ich brauche drittens natürlich ein Gerät, mit dem ich alles empfangen kann. Dann kann ich die Cloud nutzen.
So – könnte man sagen – funktioniert das auch mit Jesus in der Cloud. Die richtige Verbindung geht zum ersten übers „www“, über ein biblisches www, nicht world wide web, sondern über das wirklich wunderbare Wort.
Wir haben nur das Wort, das Wort, das in der Bibel steht, das Wort, das die Bibel ist. Das Wort Gottes, von dem die Bibel auf so vielerlei Weise erzählt. Hätten wir das nicht, gäbe es keine Christenmenschen, gäbe es keine Gottesdienste, gäbe es kein glauben, hoffen, lieben.
Wir lesen in der Bibel von diesem Wort, lesen von im wahrsten Sinne des Wortes wunder-vollen Geschichten, Geschichten voller Wunder, wie Gott die Wasser teilte, so dass das Volk Israel gerettet wurde, wie Elia auf einem feurigen Wagen gen Himmel fuhr, wie Jesus Wasser in Wein wandelte, oder heute wie eine Wolke Jesus aufnahm. Und wir fragen uns: kann das wahr sein? So viele Wunder? Sind die Wunder wahr? Ist das Wort wahr?
Die Wahrheit ist ein kompliziertes Thema. Schon Pontius Pilatus fragte lapidar: „Was ist Wahrheit?“ In der digitalen Welt gibt tatsächlich nur „wahr“ und „unwahr“. Aber in der echten? Wir erleben ja derzeit, wie sehr das, was wir bislang als Wahrheit feststellten, einfach weggewischt wird, z.B. durch „alternative Fakten“. Wahr scheint nur noch zu sein, was ich meine, dass wahr ist. Nach dem Motto: „Was für dich wahr ist, muss nicht für mich wahr sein.“
Wahrheit ist nicht zu greifen. Manchmal gewiss schon. Z.B. kann ich sagen: „Auf dieser Wiese befinden sich 86 Menschen.“ Das kann ich nachzählen, und es ist wahr oder unwahr. Bei Ameisen wäre die Sache schon schwieriger. Und wenn ich sage: Die Wiese ist grün. Ist das wahr? Schauen Sie mal hin! Tatsächlich nur grün? Und wie es mit jemandem, der Farben nicht unterscheiden kann? Bleibt die Wahrheit, dass die Wiese grün ist, diesem Menschen verschlossen?
Und wenn es schon so kompliziert ist in diesen einfachen Dingen, wie dann erst recht, wenn wir über das Wort sprechen, dass von Wundern berichtet. Ist es wahr?
Wenn Sie genau aufgepasst haben, kommt in dem, was ich als das biblische www bezeichnet habe, „wahr“ nicht vor. Statt „wahr“ sage ich lieber „wirklich“: wir haben das wirklich wunderbare Wort, das uns den Himmel erschließt.
Wirklich – das heißt, es wirkt. Es hat eine Wirkung auf uns. Es bewirkt etwas. Es ist nicht nur da, sondern es folgt etwas aus ihm, es macht etwas mit uns und für uns. Es ist ein wirkendes und wirksames Wort. Und diese Wirkung ist tatsächlich wundervoll, wunderbar: weinende Herzen werden getröstet, verwundete Seelen werden verbunden, Fallende werden gehalten, Müde werden munter, Niedergedrückte aufgerichtet, Ängstliche ermutigt, Schwache gestärkt. Es wirkt, das Wort, aber gewaltig.
Das ist also unser biblisches www, mit dem Jesus für uns in der Wolke und trotzdem allgegenwärtig ist: das wirklich wunderbare Wort.
Allgegenwärtig wie in der Cloud, ja. Aber damit es zu uns kommen kann, braucht es zum zweiten – sagten wir – einen Provider, etwas oder jemanden, der mir hilft, die Verbindung aufzubauen. Die Nachricht vom wirklich wunderbaren Wort hat sich nicht von alleine weltweit ausgebreitet. Da waren Menschen, die es weitergesagt und weitergetragen haben, da waren Menschen, die es vorgelebt haben. Jüngerinnen und Jünger, Apostel, Evangelisten, …
„Die Wolke der Zeugen“ nennt der Hebräerbrief diese Menschen. Und es gibt sie noch heute, Menschen, für die Jesus nicht gewissermaßen weit weg in einer Wolke ist, sondern die selbst so nahe bei Jesus sind, dass sie mit drin sind in der Wolke, Vorbilder im Glauben also. Aber noch viel mehr kann „Provider“ sein: zum Beispiel ein Lied, das mich besonders berührt, oder ein Bibelwort, das mich besonders anspricht, oder ein Erlebnis, eine Begegnung, die mir den Blick öffnet, oder so etwas wie heute, eine wunderbare Wiese in den Weinbergen, vor wogenden, waldbewachsenen Wasgaubergen (auch bei Wind und Wetter).
Darauf können wir uns verlassen: die Verbindung zur Cloud ist für uns bereitet.
Aber wir brauchen ja schließlich auch ein Empfangsgerät für das, was ich mir aus der Cloud holen will. Sonst geht die Verbindung ins Leere. Hätte ich da auf dem Friedhof nicht mein Handy dabeigehabt, hätte mir die tollste und schnellste Internetverbindung nichts genutzt.
Das Endgerät, das bin ich selbst. Was nützen mir all die biblischen wwws, das wirklich wunderbare Wort und die Wolke der Zeugen, was nützen mir die tollen Vorbilder, Lieder, Texte, Erlebnisse, wenn in mir kein Platz ist für die wunderbar wohltuenden Worte von Jesus, wenn ich gar nicht aufnehmen und abspeichern kann, was mir da Jesus anbietet, wenn das Wort bei mir also gar nicht wirklich wird, Wirkung hat?
Ich selbst muss in mir Platz machen, ich selbst muss aufnahmebereit sein, ich selbst muss verinnerlichen, was die Gute Nachricht mir bedeutet. Es ist dies das Wagnis des Vertrauens.
Das ist das, was ich von mir aus tun kann: Vertrauen wagen. Vertrauen, dass die Verbindung steht, Vertrauen, dass da etwas ist, das mich weiterbringt und hilft und stützt und tröstet, dass da jemand ist,, der es bedingungslos gut mit mir meint, der mir sein wohltuendes Wort zuspricht und zugleich fragt, ob ich es wirklich mit allem wohlgemacht habe, der mich bewegt, der mir den Weg weist.
Jesus ist in der Cloud. Das heißt schlussendlich zusammengefasst: Jesus ist wirklich nicht weit weg. Himmelfahrt ist das Fest der wundervollen, wunderbaren, wirksamen Nähe Gottes. Amen.
Martin Anefeld, Pfr.