Predigtblog
Hier lesen Sie Woche für Woche zu jedem Sonntag einen Predigt-Blog.
Jahreslosung 2025
Prüfet alles und behaltet das Gute!
Thessalonicher 5,21
Jahreswechsel. Blick zurück, Blick nach vorne.
Das Jahr 2024! Kein gutes Jahr, meinen die meisten Zeitgenossen.
Da tobt immer noch der unbarmherzige Krieg in der Ukraine, immer noch tut Russland alles, um sich die Ukraine einzuverleiben, zerstört gezielt Kraftwerke, Infrastruktur, damit die Zivilbevölkerung leidet.
Da wehrt sich im Nahen Osten ein Land, Israel, dem die Nachbarn die Vernichtung ausdrücklich ansagen, mit allen Mitteln, auch mit solchen, die wir nicht billigen können, weil sie Unschuldige trifft.
Da sind die Anschläge, die uns in ins Mark erschüttern und unser Land durchrütteln, wie auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg.
Da wurden wieder alle Hitzerekorde gebrochen. Die magische Grenze von 1,5 Grad Erderwärmung ist überschritten. Lebensfeindliche Bedingungen herrschen, die bis zu uns durchschlagen in Form von Extremwetterereignissen, Starkregen, Überschwemmungen.
Da zieht eine politische Stimmung um die Welt, die einem das Fürchten lehrt. Populisten greifen nach der Macht, „Ich, mein Land an erster Stelle.“
Die älteste Demokratie der Welt hat sich wieder einen Lügner, Betrüger, verurteilten Sexualstraftäter, einen moralisch bis ins Mark verderbten Menschen zum Präsidenten gewählt. Und die Milliardäre dieser Welt kriechen vor ihm zu Kreuze, mehr noch: greifen ungeniert in die Politik ein, machen klar, wer hier das Sagen hat, nämlich das Geld.
Da erreicht bei Wahlen in Deutschland eine Partei, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt, über ein Drittel der Wählerstimmen, wird stärkste Kraft, obwohl – oder solch ich besser sagen weil? – ihr Vorsitzender als Faschist bezeichnet werden darf. Und das Erschreckende ist: die Jungen zwischen 18 und 29 Jahren haben diese Partei besonders gewählt. Derweil überlegen sich die Juden in unserem Land, Deutschland zu verlassen, weil sie hier nicht mehr sicher sind.
Demokratie trägt immer das Risiko ihrer Abschaffung in sich. Das „Volk“ muss sich nur die entsprechenden Leute wählen. Das hatten wir in der Weimarer Republik, das können wir in unseren Tage live miterleben. Die Menschen, die heute lautstark krakeelen: „Das muss man doch mal sagen dürfen“, sorgen morgen dafür, dass man genau das nicht mehr darf.
Demokratie bedeutet nicht, dass die Mehrheit wie ein Diktator herrschen darf, sondern dass die Rechte der Minderheiten geschützt werden, dass politische Gegner geachtet werden und zu Wort kommen. Demokratie ist eine Errungenschaft, im wahrsten Sinne des Wortes: Man muss um sie ringen, für sie kämpfen.
Nach diesem Jahr 2024 mache ich mir Sorgen. Auch weil noch andere Errungenschaften buchstäblich in die Tonne getreten werden: der höfliche, achtungsvolle Umgang miteinander: Es ist widerlich, wie viel Hass und wie viele Beleidigungen den Diskurs bestimmen. Es steht die wahrhaftige Diskussion, die Wahrhaftigkeit, also das Ringen um Wahrheit auf dem Spiel. Es wird immer weniger zugehört, was der andere zu sagen hat. Fakten zählen nicht mehr, nur das Gefühl.
Der Blick nach vorne: Was wird? Was soll sein?
Prüfet alles! Aber in aller Offenheit! Seid nicht vorschnell mit eurem Urteil. Hört zu, wägt ab, nehmt die leisen Zwischentöne wahr. Verachtet das Denken und die Rede eures Gegenübers nicht. Aber prüft – und behaltet das Gute.
Was ist eigentlich gut?
Eine einfache Frage, aber schwer zu beantworten. Ist gut, was ich persönlich als angenehm empfinde? Ist gut, was mir selbst Freude und Lust bringt? Oder ist gut, was der gesamten Gesellschaft nützt? Oder ist „gut“ lediglich Verhandlungssache, Menschen müssen sich halt darauf einigen?
Die Beantwortung der Frage ist wichtig. Nur so können Menschen zusammenleben, nur so können Menschen zusammen leben. Wenn wir das Gute behalten sollen, brauchen wir eine Richtschnur, einen Maßstab, Kriterien, nach denen wir prüfen können.
Es gibt eine andere Stelle in der Bibel, die es ganz klar sagt: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Micha 6, 8)
„Gottes Wort halten“ heißt: in allem Gott befragen und sich hinterfragen lassen. Ich muss Antwort geben können, über das, was ich sage und tue. Es ist der Frage der Verantwortung vor Gott und den Menschen.
„Liebe üben“ heißt: die Mitmenschen im Blick haben. Ich bin nicht allein auf dieser Welt. Niemand kann überleben ohne den anderen. Es ist dies die Frage der Gerechtigkeit.
„Demütig sein vor deinem Gott“ heißt: die eigenen Grenzen erkennen. Ich kann nicht alles „machen“. Es gibt Dinge, die sind meiner Verfügungsgewalt entzogen. Um so wichtiger ist es, dass ich weiß, was mir im Äußersten Halt gibt. Es ist dies die Frage der Religion, wörtlich: Rückbindung.
Prüfet alles und behaltet das Gute!
Selten erschien mir eine Jahreslosung treffender und wichtiger. Ob es uns im Jahr 2025 gelingt, nach diesen Maßstäben alles zu prüfen - auch uns selbst und unser Verhalten - und das Gute zu behalten?
Pfr. Martin Anefeld, Nußdorf