Vom Warten

Durchschnittlich 374 Tage seines Lebens verbringt der Mensch mit Warten: an der Ampel, im Stau, beim Arzt, an der Kasse. Sogar der Computer, der alles schneller machen soll, verlangt pro Jahr 156 Stunden an Warterei. Zeitvergeudung. Erfüllte Zeit sieht anders aus.
Warten muss man können. Warten ist eine Kunst.
Mag sein, dass uns diese Auskunft nicht reicht. Wir wollen wissen, wie lange wir warten müssen. Wir wollen wissen, wann es endlich so weit ist. Bei Weihnachten
steht das fest: noch 19 Tage. Aber bei all dem anderen?
Der Sinn des Wartens liegt im Ziel.
Wer den Sommer nicht abwarten kann und das ganze Jahr über Erdbeeren kauft, wird nie das Hochgefühl erleben, wenn man die erste Erdbeere des Jahres im Munde zergehen lässt. Es wird ihm alles einerlei. Wer nicht damit rechnet, dass Gott Mensch wird, dem wird Weihnachten einerlei.
Aus Warten wird Erwartung,
Vorgeschmack, Vorfreude, Offenheit, Gespanntheit, Neugier auf das hin, was kommt.
Das ist keine verschwendete Zeit, das ist erfüllte Zeit.
Martin Anefeld

